Mani 27.10. bis 31.10. 2012
Das Wohnmobil steht im Meer. Am Abend noch stand es auf der Hafenmole. Einige Stunden später zeigt ein Blick aus dem Fenster, dass es keine Hafenmole mehr gibt. Im Licht des Mondes sehen wir nur Meer um uns herum. Es ist gespenstisch. Normalerweise liegt der Wasserspiegel fast einen Meter unter der Oberfläche der Mole. Jetzt klatschen die Wellen ans Wohnmobil. Zu allem Überfluss steht das Wohnmobil so, dass es auch noch gewendet werden muss.
Seltsam dabei ist, dass es an Land keinen Regen und keinen besonders starken Wind gab. Das Unwetter muss draußen am offenen Meer gewesen sein. Am nächsten Tag sehen wir, dass nicht nur in Skoutari, in der Nähe von Gythio, das Wasser über die Ufer getreten ist, sondern auch an anderen Stränden.
Straßen wurden weggeschwemmt, in einigen Dörfern haben die Aufräumarbeiten schon begonnen. In anderen, so wie in Gherolimenas im Süden der Mani, dem Mittelfinger des Pelopponnes, sind die Wellen noch so hoch, dass sie über die Terrassen der Tavernen und Wohnhäuser hereinbrechen.
Das Unwetter ereilt den Pelopponnes am griechischen Nationalfeiertag, dem "Ochi-Tag". An diesem Tag, dem 28. Oktober wird daran erinnert, dass Mussolini den Griechen 1940 ein Ultimatum gestellt hatte, das der griechische Diktator Metaxas mit "ochi", also mit "nein" beantwortet hatte. Der Tag wird mit Paraden im ganzen Land begangen. An öffentlichen Gebäuden, an Schulen, aber auch an sehr vielen Privathäusern hängen griechische Fahnen.
So wie auf den Kykladen die weiß getünchten kleinen Häuser die Landschaft prägen, tun es auf der Mani die Türme und Häuser aus Stein. Achthundert dieser Türme soll es geben und seit einigen Jahren wird der Stil dieser Wehrtürme auch für die meisten Neubauten übernommen. Dabei werden behauene Steine auf einander geschichtet.
Das bedeutet schwerste Handarbeit, die oft von Albanern verrichtet wird. Es ist eine der teuersten Arten zu bauen und da trifft es sich gut, dass die Mani in den letzten Jahren für viele das geworden ist, was in den 70er und 80er Jahren die Toskana war. Hier lassen sich reiche Griechen und wohlhabende Ausländer ihre Ferienwohnsitze errichten.
Noch findet man überall auf der Mani verfallene Steinhäuser, aber inzwischen auch viele alte Häuser, die renoviert wurden und werden. Diese Häuser haben meist viel Charme. Von den Neubauten, die im alten Stil gebaut werden, kann man das nicht immer sagen. Vor allem die Apartmentanlagen und die großen Häuser wirken oft recht protzig.
Die Häuser werden nie mit moderner Architektur kombiniert oder den heutigen Lebensverhältnissen angepasst. Die schönen Objekte unter den neuen Steinhäusern sind eher selten. Irgendwie erinnert die Mani seit einiger Zeit ein wenig an Disneyland. Die alten Steinhäuser werden ohne viel zu überlegen nachgebaut und es entsteht eine Art Kitschgarten.
Besonders schlimm ist die Behübschung der neuen Häuser, wenn zum Beispiel die Ecken der Türme den Ruinen nachempfunden werden. Diese Behübschungen dienen dann dazu Scheinwerfer oder Videokameras zu verstecken. Wenn man allerdings bedenkt, was die Griechen sonst oft an neuen Häusern bauen, hat die Mani-Architektur immerhin den Vorteil, dass sie sich in die Landschaft einfügt. Und wirklich gelungen präsentiert sich diese Bauweise in Areopoli. Da wurden alte Häuser so restauriert oder neue dazu gebaut, das alles ein stimmiges Bild ergibt.
Auf der Mani werden nicht nur für die Lebenden, sondern auch für die Toten Häuser aus Stein gebaut. Diese Gräber auf den Friedhöfen sind wahrscheinlich Ausdruck der Macht der Familienclans auf der Mani. Die Blutrachefehden der Manioten haben die Halbinsel seit Jahrhunderten geprägt. Und ob die Toten einem reichen und mächtigen oder einem armen Clan entstammen, zeigen die Gräber ganz deutlich.
Während die Gräber der Reichen nicht nur außen etwas hermachen, sondern auch innen reich geschmückt sind und die Stätten der Toten mit Marmor verkleidet sind, sind die Gräber der Armen aus billigem Ziegel gebaut. In ihrem Inneren liegen die Gebeine und Totenköpfe neben Plastikbechern und Schutt.
Das alles passt, wie auch die Steinmauern, die zur Stützung der Hänge und zur Abgrenzung errichtet wurden, gut zur Mani, die auch als die "Wilde" bezeichnet wird und als äußerst spröde gilt. Dass sie jetzt, im Oktober, trotzdem etwas Liebliches hat, liegt an den vielen Blumen, die der Herbstregen wachsen lässt. Und natürlich an den vielen Olivenbäumen, für die die Mani berühmt ist. Die Zeit der Olivenernte beginnt gerade.
Leuchttürme haben Schriftsteller von Jules Verne bis Virginia Woolf inspiriert. Kriminalromane und Liebesromane bedienen sich ihrer Symbolik. Das Licht, das die Richtung weist, das Warnung und Hilfe ist und dazu dient, die Position zu bestimmen - daraus läst sich etwas machen. Kein Wunder, dass Leuchttürme eine große Faszination auf viele Menschen ausüben.
Unser Ziel ist der Leuchtturm an der Südspitze des Pelopponnes, am südlichsten Punkt der Mani. Die Wanderung dorthin ist genauso kurz wie schön. Nach dem Unwetter der vergangenen Nacht schlagen hohe Wellen an die Küste und bringen das Wasser zum Schäumen.
Der Leuchtturm wird gerade renoviert und die Arbeiter verbringen ihre Mittagspause, indem sie Bier trinken. Und wie Griechen halt so sind, haben sie nichts dagegen, dass wir den Leuchtturm hinaufklettern.
Zuerst geht es einige Stufen hinauf, dann müssen wir zwei steile Leitern erklimmen. Da niemanden interessiert, was wir hier tun, steigen wir ganz hinauf und öffnen die Tür, die ins Freie führt.
Dann geht es weiter und irgendwann sind wir tatsächlich ganz oben, - dort wo das Licht sich dreht, das die Schiffe warnen soll, nicht zu nahe an die Klippen zu kommen.
Es ist brütend heiß hinter den Fensterscheiben. Es ist wunderschön. Manchmal ist der Höhepunkt einer Reise wörtlich zu nehmen. Auch wenn dieser Höhepunkt gleichzeitig das Ende der Reise einleitet.