Vom Mühlviertel bis Albanien 23.8. - 31.8. 2012
In Bertoluccis Film "Himmel über der Wüste" sagt John Malkovich zu Debra Winger: "Wir sind keine Touristen. Wir sind Reisende." Klingt reichlich arrogant und war wohl auch so gemeint.
Wir sind natürlich Touristen, aber wir verstehen uns nicht als Urlauber. Reisende sind wir zum Beispiel weil wir Zeit haben. Weil wir beim Reisen nicht zielgerichtet sind. Weil wir vor allem einfach leben möchten, wenn wir unterwegs sind.
Der eigentliche Beginn unserer Reise ist in Palmanova, circa 30 Kilometer südlich von Udine. Der sternförmige Platz ist uns seit Jahren vetraut und gleichzeitig weit genug weg von zuhause. Für uns der ideale Ort um aufzubrechen.
Plastikflaschen, Chipspackungen, Papierfetzen, Red Bull-Dosen. Wer das grün schillernde Meerwasser entlang der kroatischen Küste genießen will, muss mit dem Müll leben, der sich in den herrlichen Pinienwäldern sammelt, die hinter den schmalen, steinigen Strandstreifen liegen.
Müll umgibt uns auch im Kiefernwald im Süden Montenegros, in dem wir übernachten. Der nahe Strand ist geteilt in den „privaten Strand“ mit Sonnenschirmen und Liegen, der offensichtlich regelmäßig gesäubert wird, und in den öffentlichen Strand. Es scheint, als würde der Müll vom privaten Strand einfach in den Nebenbereich gebracht und dort vom Wind verblasen.
Kroatien und Montenegro auf Müll zu reduzieren ist mehr als ungerecht. Besonders der Küstenabschnitt vor Dubrovnik ist atemberaubend. Einen ruhigen Strand zu finden, ist aber auch hier nicht einfach und wird in Montenegro nahezu unmöglich. In der Hauptsaison bevölkern vor allem Serben, Kosovaren und Besucher aus Bosnien Herzegovina die Strände Montenegros und weil Montenegros Küste nicht besonders lang ist, ergibt das unterm Strich wenig Strand für viele Menschen. Das gilt auch für Albanien, dessen schönsten Seiten sich im Landesinneren in den Bergen zeigen. Aber dorthin muss man erst einmal gelangen.
Eine österreichische Milchpackung hält viel aus. Albanische Schlaglöcher bringen auch sie zum Zerplatzen. Albanische Straßen haben ihren schlechten Ruf zurecht. Die Geschwindigkeitsbeschränkung am Foto hat damit allerdings nichts zu tun. Ihr Sinn blieb uns verborgen.
Schlimmer als die albanischen Straßen sind nur die albanischen Autofahrer. Abbiegen nach rechts aus der dritten Spur ist normal, wird die Straße eng, fährt der Fahrer des entgegenkommenden PKW trotzdem weiter, möglicherweise rechnet er damit, dass wir uns in Luft auflösen. Die Aggressvität der autofahrenden Albaner steht ganz im Gegensatz dazu, wie nett, gastfreundlich und hilfsbereit die Albaner sonst sind.
Die Fahrzeuge, die in Albanien unterwegs sind, passen nur zum Teil zum Zustand der Straßen. Zum Beispiel der Reihenfolge nach:
Ein Mercedes, ein Mercedes, ein riesiger Audi, vier magere Kühe, ein fetter BMW, ein Mercedes, ein schwer beladener Esel, ein altes Auto, ein Heuwagen von einem Maultier gezogen, ein Mercedes.
Eine Stretchlimousine ist dann allerdings doch eher selten und wird wohl auch nicht mehr allzu oft verwendet. Vielleicht wurde sie angeschafft, um reiche Russen ins Hotel nach Lin, einem hübschen Ort im Nordosten Albaniens, zu chauffieren. Die teuren deutschen Automarken allerdings sind die Regel und nicht die Ausnahme. Zum Teil wohl unter großem Verzicht von Erspartem gekauft, manche dieser Autos gehören albanischen Geschäftsleuten, manche Albanern, die in Italien arbeiten, einige sind wahrscheinlich auf krummen Wegen ins Land gekommen und für einige soll auch ein ganzes Dorf oder ein Familienclan zusammengelegt haben. Denn Autos erhöhen zweifellos das Ansehen eines albanischen Mannes. Frauen am Steuer sieht man eher selten.
Sobald man sich von den wenigen Touristenzielen entfernt, bereist man nicht nur ein anderes Land, sondern eine andere Zeit. Landleben, so wie es in österreich vielleicht vor fünfzig Jahren noch gelebt wurde. Im Bazar in Kruje, den angeblich jeder Albanienbesucher gesehen haben muss, funktionieren die Geschäfte wie auf jedem anderen Bazar im Süden Europas. Da werden Teppiche genauso zum Verkauf angeboten wie die albanische Nationaltracht und T-Shirts, auf denen die albanische Fahne prangt. Skanderberg, der Erfinder der roten Albanienflagge, der hier sein Land halbwegs erfolgreich gegen die Osmanen verteidigt hatte, wird in Kruje, sowie überall in Albanien als Volksheld gefeiert.
Schneller als geplant sind wir durch Kroatien, Montenegro und Albanien gereist. Dass wir in Albanien nicht lange bleiben, liegt nicht daran, dass es hier nicht viel zu entdecken gäbe, sondern nur an unserem Bedürfnis, einen Platz zum Ausspannen zu finden.
Das Reisetempo dieser ersten Tage entspricht wirklich nicht unseren Wünschen. Aber wir wissen, dass auch das Teil des Reisens ist. Dass wir nicht immer das finden, was wir gerade suchen. Dass wir uns an die Umstände anpassen müssen, so wie sie eben sind. Und dass wir auch in solchen Zeiten die Aufmerksamkeit für unsere Umgebung nicht verlieren. So ist auch die Landschaft um den Ochridsee durchaus schön, aber einen Platz um uns auszuruhen finden wir auch hier nicht. Wir verlassen Albanien und fahren weiter nach Griechenland.