Langsamer Abschied 1.1. - 5.1.2019 (New South Wales)
Das Geräusch
Der Iveco gibt plötzlich ein seltsames Geräusch von sich und zieht ein wenig nach rechts. Ein platter Reifen? Nein, alles o.k. Wir fahren weiter, verbringen über Weihnachten ein paar Tage in einem Nationalpark und sind guter Dinge. Vielleicht war es ja nur ein einmaliges Geräusch. - Das war es leider nicht. Auf der Weiterfahrt kommt es wieder. Wird ziemlich laut. Wir lokalisieren: Rechts vorne.
Bruno montiert den Reifen ab, es könnte die Scheibenbremse sein. Es könnte auch das Radlager sein. Wir wissen es nicht. Kein Handyempfang weit und breit. Mit lauter werdendem Geräusch fahren wir noch 60 Kilometer in das nächste Dorf Bingara.
Warten
Autowerkstätte gibt es in Bingara keine. Aber wir finden einen Platz am nahe gelegenen Fluss. Hier wollen wir die Feiertage verbringen, an denen sowieso alles im Land geschlossen hat.
Die Temperaturen steigen auf 36°C, die Warterei ist drückend, weil wir so gar nicht wissen, wie es weitergehen soll. Irgendwie müssen wir unseren Gefährten nach Sydney schaffen, von wo wir ihn verschiffen könnten. Bis dahin sind es 550 Kilometer. Dabei ist unser Standplatz sehr schön, wir können uns im Fluss abkühlen, das Dorf ist in Gehweite und täglich besuchen uns Pferde von der nahe gelegenen Farm.
Die Entscheidung
Nach einiger Recherche im Internet vermutet Bruno, dass das Radlager beschädigt ist. Wenn wir Glück haben und die richtigen Ersatzteile bekommen, könnte die Sache repariert werden. Fehlt nur noch ein Mechaniker oder wenigstens mehr Werkzeug.
Aber wollen wir überhaupt noch weiterreisen? Wir haben das Vertrauen zu unserem alten Herrn verloren. Gemäß unseres Plans nach Perth zurückzukehren und den Iveco von dort zu verschiffen, würde um die 6000 Kilometer Fahrt bedeuten. Immer mit dem Gefühl, dass ein weiteres technischen Problem wahrscheinlich ist. Wir entscheiden, die Reise abzubrechen.
Glück gehabt
Nach einigen Gesprächen mit Einheimischen erfahren wir von einem Mann, der zwar keine Lizenz hat, aber quasi ein Mechaniker ist. Nach den Feiertagen machen sich Alan und Bruno gemeinsam an die Arbeit. Es stellt sich heraus, dass das Radlager völlig zerbröselt ist. Wir haben offenbar großes Glück gehabt. Das hätte schon sehr bald ordentlich schief gehen können.
Die Reparatur
Schuld an den kaputten Radlagern ist wahrscheinlich unsere Schlammfahrt vor einigen Wochen. Dabei sind Dreck und Wasser in das Lager eingedrungen. Alan fährt in die nächste Stadt, um Ersatzteile zu organisieren. Dort sind tatsächlich genau die zwei Stück lagernd, die wir brauchen.
Alan ist lustig, gesprächig und sehr professionell. Wir verbringen fast acht Stunden in seiner Klitsche. Ein Rudel Hunde verschiedener Rassen samt Welpen und etliche Katzen sind mit dabei.
Letztes Abhängen
Wir haben in den letzten fünf Monaten genau so gelebt, wie wir uns das vorgenommen haben. Wir sind in vielen kleinen Nationalparks gewandert, haben an Flüssen campiert, sind in Seen geschwommen, haben im Meer geschnorchelt, sind am Lagerfeuer gesessen und haben viel gekocht. Wir erinnern uns an die vielen schönen Begegnungen genauso gerne wie an unsere einsamen Stellplätze.
Der Abschied von Australien stimmt uns zwar melancholisch, aber wir haben nicht das Gefühl etwas zu versäumen. Was wir tun wollten, haben wir gemacht. Und jetzt hängen wir noch ein paar Tage am Fluss entspannt ab.
Wir spazieren in den Ort, teilen unsere Gunst auf die zwei hiesigen Pubs auf, bekommen bald bereits ohne Bestellung das jeweils richtige Bier in der richtigen Größe vorgesetzt und werden schließlich an der Theke gefragt, ob wir in den Ort gezogen sind.
Nur noch 550 Kilometer bis Sydney, wo wir noch zehn Tage verbringen werden. Der Rückflug ist organisiert, der Container für unseren Gefährten bestellt, das Hotel gebucht - das sind jetzt definitiv die letzten Tage, die wir in Australien so verbringen, wie wir es lieben.